1. Plötzlich mussten wir aufhören

Iwata:

Nun denn, wären Sie so nett und stellen Sie sich nacheinander unseren Lesern vor?

Shimomura:

Ich heiße Shimomura und arbeite im Network Service Development Department [Abteilung für die Entwicklung von Netzwerk-Services, Anm. d. Red.]. Ich habe bereits Erfahrung in der Entwicklung von sowohl Software als auch Hardware. Bei "Laufrhythmus DS" habe ich die Entwicklung des Actimeters, den wir für dieses Projekt Actimeter nennen, und der dazugehörigen Software betreut. Ich sollte zudem sicherstellen, dass das Projekt als Ganzes eine Einheit bildet.

Iwata Asks
Mizuki:

Ich bin Mizuki aus der Network Planning Group des Network Service Development Department [Netzwerkplanungs-Team der Abteilung für die Entwicklung von Netzwerk-Services, Anm. d. Red.]. Ich bin inmitten der Entwicklung in einer unterstützenden Rolle zum Projektteam gestoßen. Meine Aufgaben waren in etwa die eines Producers.

Morimura:

Ich bin Morimura von der selben Network Planning Group wie Mizuki-san. Ich war der Director des Projekts "Laufrhythmus DS". Davor habe ich als Programmierer gearbeitet, habe dann aber die Abteilungen gewechselt. Dies ist die erste Softwareentwicklung, für deren Leitung ich verantwortlich war.

Akita:

Ich bin Akita von der Mechanical Design Group des Network Service Development Department [Mechanisches-Design1 -Team der Abteilung für die Entwicklung von Netzwerk-Services, Anm. d. Red.]. Ich war verantwortlich für, wie sollte es anders sein, das mechanische Design des Actimeters, das die Schritte zählt.



1 Unter mechanischem Design verstehen wir die Entwicklung, das Design und die Evaluation der mechanischen Teile, die an äußeren Komponenten (Gehäuse) und Schaltern etc. zu finden sind.

Iwata:

Vielen Dank. Dann lassen Sie uns ein wenig über die Abteilung "Network Service Development" reden. Es ist eine etwas ungewöhnliche Abteilung, selbst für Nintendo.

Shimomura:

Ursprünglich hatten wir bei Nintendo Leute, die an Hardware gearbeitet haben, und Leute, die an Software gearbeitet haben, in derselben Abteilung beisammen. Diese Leute arbeiteten gemeinsam an bestimmten Dingen.

Iwata Asks
Iwata:

Mit anderen Worten: Es gab hier eine integrierte Software/Hardware-Schmiede innerhalb einer einzelnen Abteilung. So können Personen, die beispielsweise am Game Boy gearbeitet haben, am Schreibtisch neben jemandem gesessen haben, der an der Software dafür gearbeitet hat.

Shimomura:

Ja. Die Fälle, in denen die Entwicklung verwandter Produkte von zwei verschiedenen Abteilungen durchgeführt wurde, haben sich allerdings gehäuft. Gleichzeitig stieg der Umfang derartiger Entwicklungen immer weiter. Das Entwicklungssystem in seiner traditioneller Form wurde ineffizient und das Unternehmen entschied sich zu einer großflächigen Umstrukturierung. Das Ergebnis: Nintendo wurde in zwei Hardwareentwicklungs- und zwei Softwareentwicklungs-Abteilungen umorganisiert.

Iwata:

Die grundlegende Idee einer integrierten Software/Hardware-Schmiede hat sich zwar nicht geändert, sie wird nun allerdings durch die Zusammenarbeit von mehreren Abteilungen verwirklicht. Außerdem ist die Abteilung "Network Service Development" als einzige keinen Entwicklungsabteilungen zugewiesen.

Shimomura:

Ja, das ist der einzige Fall, bei dem das traditionelle Entwicklungssystem bestehen blieb. Folglich haben wir Personen wie Mizuki-san und Morimura-san, die an Software arbeiten, und Personen wie Akita-san, die am mechanischen Design arbeiten. Dann kommen noch Programmierer und andere Kollegen hinzu. Man kann also wirklich sagen, es ist eine etwas ungewöhnliche Abteilung für Nintendo.

Iwata:

Da Sie, Shimomura-san, in dieser Abteilung gearbeitet haben, können Sie uns vielleicht etwas über die Produkte verraten, an deren Entwicklung sie bisher mitgewirkt haben?

Shimomura:

Kürzlich habe ich noch an "MAGKID"2 mitgearbeitet, bei dem eine Art Roll-Controller zum Einsatz kommt, ähnlich wie eine Computermaus. Akita-san war für das mechanische Design dieses Produkts verantwortlich. Außerdem habe ich beim Vorgänger der Abteilung "Network Services Development" an "Pokémotion"3 gearbeitet.



2 MAGKID ist ein DS-Spiel namens "Slide Adventure MAGKID". Es kam im August 2007 in Japan auf den Markt. Es handelt sich um ein Action-Spiel, bei dem ein Roll-Controller, der einer Computermaus ähnelt, an einen Nintendo DS angeschlossen wird.


3 "Pokémotion" ist ein Kommunikationstool, das im August 2003 in Japan erschien. Dank der LEDs und dem Nachbild, das sie in den Augen hinterlassen, werden verschiedene Pokémon und Wörter angezeigt. (Veröffentlicht von der Pokémon Company.)

Iwata:

Das war ein Stab mit vielen LEDs, und wenn man ihn vor und zurück bewegt hat, wurden Bilder von Pokémon und anderen Dingen angezeigt, nicht wahr? Haben Sie nicht auch an "Pokémon mini"4 gearbeitet?



4 Pokémon mini war eine ultrakompakte tragbare Konsole, die im März 2002 in Europa auf den Markt kam. (Veröffentlicht von der Pokémon Company.) Circa 10 kompatible Programme wurden dafür veröffentlicht.

Shimomura:

Ja, das war eine sehr kleine, tragbare Spielkonsole. Es verfügte zwar nur über eine schwarzweiße LCD-Anzeige, aber man konnte die Software austauschen. Außerdem habe ich an der Entwicklung der speziellen Cartridge für "WarioWare: Twisted!" gearbeitet.5



5 "WarioWare: Twisted!" ist ein GBA-Spiel, das im Oktober 2004 in Japan auf den Markt kam. Es ist ein verrücktes Action-Rätsel-Spiel.

Iwata:

Die Cartridge verfügte über einen Drehsensor, und man spielte das Spiel, indem man den GBA drehte. Ich glaube, Ihr Team hat die Hardware vorbereitet und Ozawa-san von "Rhythm Heaven" hat die Software entwickelt. Sie haben das dann mit Ihrem Vorgesetzten, Sakamoto-san, zu einem Ganzen zusammengesetzt und es mir vorgestellt. Waren Sie nicht danach auch... am "Mobile GB Adapter"6 beteiligt?



6 Der Mobile GB Adapter ist ein Zubehör zum Verbinden eines GBC oder GBA mit einem Mobiltelefon. So können Sie gegen Freunde, die weit entfernt sind, kämpfen und Daten empfangen.

Iwata Asks
Shimomura:

Das stimmt. Reicht das immer noch nicht? (lacht) Mit dem "Mobile GB Adapter" konnte man sich über sein Mobiltelefon mit dem Internet verbinden und so Daten herunterladen und Online-Kämpfe austragen. Ich habe übrigens auch an der Entwicklung von "Satellaview"7 mitgewirkt, einem Gerät, das an das SNES angeschlossen werden und mit dem man Spiele über Satellit herunterladen konnte. Das ist allerdings schon ein Weilchen her. (lacht)



7 Satellaview war ein Zubehör für das SNES zum Empfangen von Daten über Satellit. Es war möglich, Spiele kostenfrei zu spielen. In Japan begann dieser Service 1995 und wurde 2000 eingestellt.

Iwata:

Warum haben Sie also, nachdem Sie mit all diesen Projekten beschäftigt waren, ausgerechnet an der Entwicklung eines Schrittzählers gearbeitet?

Shimomura:

Das war ursprünglich nicht unsere Idee. Aus Europa kam die Anfrage, wir mögen doch bitte etwas Unterhaltsames für den Nintendo DS entwickeln, bei dem ein Schrittzähler zum Einsatz kommt. Zu etwa derselben Zeit haben wir ein Angebot von Creatures8 erhalten, ein Gesundheits-Tool für den DS mit Kompatibilität zu einem Schrittzähler zu entwickeln. Also fingen wir dann mit der Entwicklung des Actimeters an.



8 Creatures Inc. ist der Entwickler von Spielen wie beispielsweise "Pokémon Ranger: Schatten über Almia" (Nintendo DS), "Nonono Puzzle Chalien" (GBA) und dem "Pokémon Sammelkartenspiel". Das Unternehmen ist Tokio ansässig.

Iwata:

Sobald Sie sich also entschieden hatten, ein Actimeter zu entwickeln, womit fingen Sie an?

Shimomura:

Hmmm...

Iwata:

Offenbar hat die Entwicklung so lange in Anspruch genommen, dass Sie es vergessen haben. (lacht)

Shimomura:

Nun, wir haben vor zwei Jahren begonnen... Als Erstes mussten wir herausfinden, wie viele Schrittzähler jedes Jahr in Japan verkauft werden.

Iwata:

Und, wie viele sind es?

Shimomura:

Wir fanden heraus, dass es ca. 4,2 Millionen pro Jahr sind. Das war aber vor zwei Jahren. Da dachten wir uns, wenn 4,2 Millionen davon jährlich über die Ladentheken wandern, schadet es nicht, wenn wir auch einen machen. Das war der wahre Beginn des Projekts. Danach fingen wir an, die interne Struktur unter die Lupe zu nehmen, Dinge wie das Schaltschema.

Iwata Asks
Iwata:

Früher verwendeten Schrittzähler einen mechanischen Schalter, wie etwa bei "Pokémon Pikachu"9, aber das trifft heute nicht mehr zu, nicht wahr?



9 Pokémon Pikachu ist ein Schrittzähler, mit dem Sie die Freundschaft zu Pikachu auf dem Bildschirm entwickeln können, indem Sie im echten Leben laufen. Das Gerät kam im März 1998 auf den Markt.

Shimomura:

Das ist richtig. In den neueren Modellen kommen für gewöhnlich Schwingungs- oder Stoßsensoren zum Einsatz, aber damals, also zu "Pokémon Pikachu"-Zeiten, wurden mechanische Komponenten verwendet. Der Nachteil: wenn man das Ding seitlich hielt, wurden die Schritte nicht gezählt.

Iwata:

Deshalb musste man den Schrittzähler immer am Gürtel festmachen, damit er in der richtigen Position angebracht ist.

Shimomura:

Genau. Damit ein Schrittzähler Ihre Schritte unabhängig von seiner Position zählt, muss man einen zweiachsigen Beschleunigungssensor oder eben zwei Stoßsensoren verwenden. Dann kann man ihn einfach in die Hosentasche oder Handtasche stecken, ohne sich Gedanken machen zu müssen, wie herum er positioniert ist. Unter genauer Betrachtung von Faktoren wie Batterieleistung haben wir uns für die Variante mit den Stoßsensoren entschieden, weil sie weniger Energie verbrauchen.

Iwata:

Wann ist Akita-san, die für das mechanische Design verantwortlich war, zu dem Projekt gestoßen?

Akita:

Nachdem Entscheidungen über interne Komponenten wie die Schaltkreise bereits gefallen sind. Da man keine Tests mit bloßen Schaltplatinen durchführen kann, bestand meine Aufgabe zunächst darin, ein Gehäuse dafür zu bauen. Als die Spezifikationen für die Schaltkreise endgültig feststanden, konnte das offizielle Design beginnen. Was danach folgte, ist eine sehr lange Geschichte...

Iwata Asks
Iwata:

Die gefallen mir ganz besonders. (lacht) Ich wollte, dass Sie heute zu uns kommen, weil ich diese Geschichte hören möchte.

Akita:

Also gut. Ich überlegte zunächst, wie ich das Actimeter mit der DS-Software verbinden könnte. Der GBA-Modulschacht des Nintendo DS war die offensichtlichste Lösung.

Iwata:

Mit anderen Worten: Sie wollten, dass ein GBA-Modul die Funktionen des Actimeters besitzt.

Akita:

Ja. Nachdem man das Modul bei sich getragen hat, könnte man es zu Hause in den DS hineinstecken. Die DS-Karte des Spiels würde dann die Daten davon ablesen. Hier sehen wir das Design.

Iwata Asks
Iwata:

Es scheint zweimal so groß zu sein wie ein normales GBA-Modul.

Akita:

Da wir annehmen mussten, dass die Nutzer es in der Tasche herumtragen, musste es größer sein. Bei einem Modul normaler Größe würden die Verbindungen zur Hardware freiliegen.

Iwata:

Das könnte leicht zu Störungen fühlen. In einer Tasche kann sich viel Staub befinden und wenn man läuft, kommt man auch ins Schwitzen.

Akita:

Sie haben's erfasst. Danach kam der Vorschlag, das Actimeter dreifach zu falten. Wir haben uns ein Design überlegt, welches das Modul umfassen würde. Es wurde etwas größer als ein normales Modul, aber wir waren in der Lage, einen gewissen Grad von Wasserfestigkeit zu gewährleisten. Das Design war also fertig gestellt, die "Manufacturing Division" wurde instruiert, und kurz bevor wir in die Massenproduktion gehen konnten... mussten wir plötzlich alles anhalten.

Iwata Asks
Shimomura:

Aus einem Grund, den niemand hätte vorausahnen können, mussten wir das Projekt umkrempeln10 und noch mal von vorne anfangen.



Im Japanischen wird hier ein unterhaltsamer Ausdruck von den Entwicklern bei Nintendo verwendet. Wenn man von einem plötzlichen Umkrempeln eines Projekts redet, das sich bereits im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befindet, spricht man vom "Umdrehen des Teetisches".